Trotz des grundsätzlichen Verbotes von Kinderehen bestätigt der BGH eine mit 16 Jahren geschlossene Ehe

18. Dezember 2020, Allgemein, Familienrecht

Symbolbild © Molly Belle

Immer wieder Stein des Anstoßes öffentlicher Diskussionen sind im Ausland geschlossene Ehen, regelmäßig mit minderjährigen Mädchen – aber auch Jungen. Nicht selten werden diese bereits im Kindesalter an längst volljährige Personen verheiratet.

Relevant wird die Beurteilung solcher Eheschließungen dann, wenn sich die Eheleute dauerhaft nach Deutschland begeben und im Rahmen dort auftretender Streitigkeiten die Wirksamkeit der Eheschließung auf dem Prüfstand steht. Die besondere Schwierigkeit dieser Beurteilung liegt darin, dass die Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, nach den dortigen Maßstäben in aller Regel wirksam sind. Eine Übertragung der nach deutschem Recht herrschenden Voraussetzungen für die Eheschließung ist allerdings nur eingeschränkt möglich.

In einem konkreten Fall, bei welchem die Frau bei der Eheschließung erst 16 Jahre alt war, hat der BGH hinsichtlich der Ehemündigkeit nun entschieden, dass auch bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen für die Aufhebung einer Ehe, weil etwa das Mindestalter für die Eheschließung nicht gewahrt ist, das erkennende Gericht immer noch eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ob die Ehe tatsächlich aufgehoben wird. Es muss also nicht zwangsläufig zu einer Aufhebung der Ehe kommen.

Würde diese Vorschrift anders ausgelegt werden, käme es zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von nach deutschem Recht geschlossenen Ehen und Auslandsehen, bei denen ein Ehegatte bei Eheschließung jünger als 16 Jahre alt war, so der BGH. Dies sei mit dem von verfassungswidrigen gebotenen Minderjährigenschutz nicht vereinbar, es könnten zudem gewichtige Umstände gegen eine Aufhebung der Ehe sprechen.

Im zu entscheidenden Fall sprach gegen die Eheaufhebung der Umstand, dass die Frau bei Eheschließung bereits fast 17 Jahre alt war und inzwischen das 35. Lebensjahr vollendet hatte, also fast 14 Jahre eheliches Zusammenleben mit dem Antragsgegner zu verzeichnen war. Weiter lebten die Eheleute diese Ehezeit ausschließlich in Deutschland, nach Erreichen der Volljährigkeit zeugte die Frau zusammen mit dem Ehemann vier eheliche Kinder. Eine Eheaufhebung würde deshalb in deutlichem Gegensatz zu der langjährig bewusst und insbesondere im Erwachsenenalter gelebten Familienwirklichkeit stehen.

Dies gelte letztlich im Ergebnis auch dann, wenn die Ehefrau die Aufhebung der langjährig gelebten Ehe wünsche. Sie könne über die Frage der Aufhebung der Ehe nicht disponieren, stattdessen stünde ihr die Scheidung der Ehe als Alternative offen.

Diese Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass bei der Beurteilung der Wirksamkeit von im Ausland geschlossenen Minderjährigenehen besondere Sorgfalt an den Tag zu legen ist. Zum einen müssen die Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt werden, zum anderen die kulturellen Hintergründe sowie das Bedürfnis der deutschen Rechtsordnung an einer Korrektur dieser Situation.

 

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