Keine Strafbarkeit bei Hausfriedensbruch durch Eindringen von Tierschützern in einen Schweinezuchtbetrieb zur Dokumentation von Gesetzesverstößen

15. April 2019, Allgemein, Strafrecht

In dem zugrunde liegenden Fall wurden zwei Tierschützer wegen Hausfriedensbruch angeklagt, weil sie in einen Schweinezuchtbetrieb eingedrungen waren, um Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung zu dokumentieren. Kenntnis von den Verstößen erhielten sie zuvor von einer anonymen Quelle. Zu der Maßnahme entschieden sich die Tierschützer, weil die zuständigen Behörden sich trotz erfolgter Anzeigen weigerten, etwas zu unternehmen. Die während des nächtlichen Besuchs angefertigten Bildaufnahmen wurden dem Landwirtschafts- und Umweltministerium sowie dem Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt vorgelegt. Zudem erstatteten die beiden Tierschützer Strafanzeige.

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht sprachen die beiden Tierschützer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs im Ergebnis frei. Nach Auffassung des Landgerichts sei die Tat durch Nothilfe (§ 32 StGB) und Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Sie führte an, dass ein rechtfertigender Notstand nicht greife, weil Schweine gefährdet gewesen seien, deren Halter den Hausfriedensbruch der Tierschützer offensichtlich nicht gewollt habe.

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt bestätigte nun die Entscheidung der Vorinstanzen und wies daher die Revision der Staatsanwaltschaft zurück. Die beiden Tierschützer haben sich nicht wegen Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB strafbar gemacht. Denn, wie schon nach der Begründung des Landgerichts, ist ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB anzunehmen.

Das Oberlandesgericht folgte daher der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht, welche argumentiert hatte, dass ein Vorgehen gegen die Misshandlung von Tieren nur dann wegen Notstands gerechtfertigt sein könne, wenn der Eigentümer der Tiere dies billige. Denn dies würde aus Sicht des Oberlandesgerichts zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Denn wäre der Ansicht der Staatsanwaltschaft zu folgen, dürfte auch niemand die Scheibe eines in praller Hitze stehenden Autos einschlagen, in dem ein Hund zu ersticken droht, wenn der Tierhalter zugegen ist und das Aufschließen der Tür verweigert.

Eine Rechtfertigung wegen Notstands kommt aber nur dann in Betracht, wenn den Handelnden die Tatsachen bekannt seien, die einen Eingriff rechtfertigen. Dies gilt daher nur, wenn die Gesetzesverstöße bekannt sind und die Behörden trotz dessen nichts unternehmen. Es ist daher unzulässig, in fremde Rechte einzugreifen, um zu überprüfen, ob überhaupt Verstöße vorliegen. Ebenso wenig könne das staatliche Gewaltmonopol umgangen werden, wenn nicht feststehe, dass die Behörden sich im konkreten Fall weigern, ihre Aufgaben zu erfüllen. Im vorliegenden Fall lagen jedoch sämtliche Voraussetzungen einer Rechtfertigung vor.

Eine Rechtfertigung wegen Nothilfe gemäß § 32 StGB komme nach Ansicht des Oberlandesgerichts jedoch nicht in Betracht. Denn die Tierschützer seien nicht in die Schweinezuchtanlage eingedrungen, um durch die Dokumentation der Tierschutzverstöße Gefahren von dem zum Zeitpunkt des Eindringens dort untergebrachten Tieren abwenden zu wollen. Denn die Tierschützer haben bei realistischer Einschätzung davon ausgehen müssen, dass die vorhandenen Tiere bis zum Abstellen der Verstöße geschlachtet werden würden.

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