Keine Aufhebung einer im EU-Ausland geschlossenen Minderjährigenehe

4. Dezember 2019, Allgemein, Familienrecht

Die Globalisierung hält nicht nur im wirtschaftlichen Bereich mehr und mehr Einzug, sondern erfasst auch das Zusammenleben der Menschen unmittelbar, damit auch das Eherecht.

Der europäische Gesetzgeber hatte dies grundsätzlich schon früh erkannt und festgelegt, unter welchen Kriterien bei unterschiedlichen Voraussetzungen auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geschlossene Ehen zu akzeptieren sind.

Größtes Problem hierbei sind die Minderjährigenehen.

Nach dem ordre public-Grundsatz haben die Mitgliedsstaaten Unterschiede in der Handhabung jeweils hinzunehmen, soweit dadurch nicht wesentliche Grundprinzipien des betroffenen Staates verletzt werden.

Im Zusammenhang mit der beantragten Aufhebung einer in Bulgarien durch zwei bulgarische Staatsangehörige geschlossenen Ehe, bei der die Braut 17 Jahre alt war, aber bereits vorher mit 15 ½ Jahren vom Bräutigam ein Kind bekam, entschied das OLG Frankfurt am Main, dass eine im EU-Ausland nach dem dort geltenden Recht wirksam geschlossene Ehe unter Beteiligung eines Minderjährigen im Regelfall nicht nach deutschem Recht aufgehoben werden könne, da das ansonsten verletzte Recht der Ehegatten u.a. auf Freizügigkeit innerhalb der EU zur Annahme einer schweren Härte führen würde.

Zwar läge auch in Bulgarien das Regelalter für die Ehemündigkeit bei 18 Jahren, allerdings könnten Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet hätten, mit der Genehmigung eines sogenannten Rayonsrichters die Ehe schließen. Diese Genehmigung lag im genannten Fall auch vor.

Würde die Ehe eines Unionsbürgers, die nach dem Recht eines seiner Mitgliedstaaten wirksam geschlossen wurde, in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund der dort geltenden nationalen Bestimmung aufgehoben, behindere dies den Betroffenen in seiner Freizügigkeit. Die Eheaufhebung würde darüber hinaus gegen das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt verstoßen (Art. 45 Abs. 3 b) und c) AEUV), so weiter das OLG.

Die im Raum stehende Verletzung der Freizügigkeitsrechte war zudem auch nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung (ordre public) gerechtfertigt. Das seit Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Aufhebung von Kinderehen bezwecke den Schutz von über 16-jährigen minderjährigen Eheleuten. Die Antragsgegnerin sei nach Ansicht des Gerichtes jedoch nicht in dem Maße schutzbedürftig, wie dies dem Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Gesetzes vorgeschwebt habe. Weder die Ermittlungen des Jugendamtes noch ihre Anhörung hätten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Antragsgegnerin die Tragweite und die Rechtsfolgen der Eheschließung bei der Heirat nicht erfasst habe. Zudem wollten die Antragsgegner auch künftig als verheiratetes Paar mit ihren gemeinsamen Kindern weiterleben.

Die Entscheidung zeigt das Konfliktpotential allein schon innerhalb der EU auf. Zwar wurde mit dem sogenannten ordre public eine weitreichende Harmonisierung zu erreichen versucht, doch hilft dieser Grundsatz nicht immer über bestehende Hürden hinweg. Die übrigen EU-weiten Kriterien, insbesondere die Freiheits- und Freizügigkeitsrechte sollten ebenfalls beachtet werden.

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