Hörbehinderte Eltern können nicht zu Cochlea-Implantation für ebenfalls hörbehindertes Kind gezwungen werden

16. Mai 2019, Allgemein, Familienrecht

In die Pflege und Erziehung Ihrer Kinder möchten sich die Eltern nicht hineinreden lassen, erst recht nicht vom Staat. Nicht selten wird das Jugendamt als bevormundend und überkritisch wahrgenommen, bei ganz typischen Verhaltensweisen dem Kind gegenüber äußern Jugendämter mitunter Bedenken.

Den Eltern wird dabei oft auch völlig zu Unrecht vermittelt, sie kümmerten sich nicht angemessen um ihr Kind. Dabei wird verkannt, dass nicht jedes auch kritisch hinterfragbare Verhalten dem Kind gegenüber automatisch den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung begründet. Äußerst selten sind bestimmte Verhaltensweisen ausschließlich positiv zu bewerten – auch und gerade unabhängig von den Neigungen des Kindes.

Dass auch bei mitunter gravierenden Folgen nicht ohne Weiteres von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden kann, entschied nun das AG Goslar.

Im Fall weigerten sich die hörbehinderten Eltern eines ebenfalls hörbehinderten Kindes, diesem durch eine Operation ein Cochlea-Implantat einsetzen zu lassen, bevorzugten stattdessen ein Hörgerät.

Die Operation lehnten sie aufgrund der Gesundheitsrisiken ab, zudem sei ungewiss, dass sich durch die Operation das Sprach- und das Hörvermögen wesentlich verbessern würden.

Das Jugendamt sah dies anders und ließ ein Sorgerechtsverfahren gegen die Eltern einleiten.

Der Argumentation des Jugendamtes folgte das angerufene Gericht nicht, es sah keine ausreichende Veranlassung für familiengerichtliche Maßnahmen.

Die Wächterfunktion des Staates gebiete es gerade nicht, für die bestmögliche Förderung des Kindes zu sorgen, sondern lediglich sicherzustellen, dass das Kind durch die Entscheidung der Eltern keine schwerwiegenden Nachteile erleide.

Nach Anhörung eines medizinischen Sachverständigen kam das Gericht auch zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Operation auch nicht den gewünschten Erfolg erzielen könne, weil nach der Operation eine Lautsprachentherapie erfolgen müsse, die die Eltern aufgrund ihrer eigenen Behinderung nicht anbieten könnten.

Auch weil die Eltern nicht nur aus bloßer Unwissenheit die Operation ablehnten, sondern triftige und auch nachvollziehbare Gründe anführen konnten, kamen letztlich alle Beteiligten, so am Ende auch das Jugendamt, zu dem Schluss, keine familienrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass gerade in der Kommunikation mit den Jugendämtern frühzeitig die eigenen Standpunkte und Argumente konkret vorgetragen werden sollten, um solche letztlich unnötigen Verfahren zu vermeiden.

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