Gesetzliche Erbfolge oder Erbeinsetzung: Erbe muss nicht immer ausdrücklich benannt werden

13. August 2020, Allgemein, Erbrecht

Oft wenden Menschen in ihrem Testament ihren Freunden und Verwandten nur einzelne Gegenstände zu. Dann haben die Gerichte zu entscheiden, ob hierin eine Erbeinsetzung zu sehen ist oder ob die gesetzlichen Erben zum Zuge kommen. Diese müssen die genannten Gegenstände dann aber als Vermächtnisse abgeben. Entscheidend ist dabei der Wille des Verstorbenen.

Dies ist stets anhand des konkreten Einzelfalls zu ermitteln.

Maßgeblich dabei ist auch, welchen Wertz die zugewendeten Gegenstände im Verhältnis zum Gesamtwert des Nachlasses haben.

Wird beispielsweise der einzige vermögenswerte Gegenstand „vermacht“, spricht viel dafür, dass tatsächlich eine Erbeinsetzung gewollt war.

Umgekehrt kann sich bei besonders vermögenden Erblassern auch dieses Kriterium als kaum brauchbar herausstellen, dann können weitere Umstände herangezogen werden.

Dem vom OLG München letztlich entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Mann adoptiert nach dem Tod seiner Ehefrau deren Nichte und überträgt ihr ein Sechs-Familienhaus. Sonst hat er keine Kinder. In seinem Testament vermacht er sein Wohnhaus einer Freundin, seine Ferienwohnung seinen beiden Geschwistern, ein weiteres Grundstück dem Sohn seiner Nichte. Als er stirbt, hinterlässt der Mann außer den im Testament genannten noch einige weitere Immobilien und sonstige erhebliche Werte. Die adoptierte Nichte beantragt ein Europäisches Nachlasszeugnis, in dem sie als Alleinerbin ausgewiesen wird.

Nach Ansicht des Gerichts waren sämtliche konkret bezeichnete Zuwendungen im Testament als Vermächtnisse zu werten.

Dies ergab sich aufgrund des Gesamtwertes des Nachlasses, die Regelungen über die erfolgten Zuwendungen waren unter Berücksichtigung der schon bei Errichtung des Testamentes vorhandenen weiteren Vermögenswerte nur unvollständig und deshalb nicht als Erbeinsetzung zu werten.

Hinzu kam der Umstand, dass aufgrund der Adoption der Nichte der verstorbenen Frau diese jedenfalls gesetzliche Alleinerbin war und das Testament hierzu keine Regelung enthielt.

Somit war davon auszugehen, dass es in Bezug auf die Erbenstellung bei den gesetzlichen Regelungen zu verbleiben hatte.

Um solche Unsicherheiten bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, darin klar zu definieren, welche Form der Zuwendung (Vermächtnis oder Erbenstellung) gewünscht ist. Dabei sollte aber stets der Wert der Zuwendungen in Bezug auf den Gesamtwert des Nachlasses berücksichtigt werden.

 

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