Fluggesellschaft muss bei Verpassen eines Anschlussfluges ausreichende Zeit zum Umsteigen darlegen und gegebenenfalls nachweisen

25. Juli 2019, Allgemein, Fluggastrechte, Reiserecht, Vertragsrecht, Zivilrecht

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die spätere Klägerin einen Flug von Frankfurt am Main über Kiew nach Astana gebucht. Weil die Fluggesellschaft in Frankfurt noch auf andere Passagiere wartete, erreichte der Flug Kiew mit einer Verspätung von fast 1 ½ Stunden, wo die Flugzeugtüren um 16.25 Uhr geöffnet wurden. Die Türen des Anschlussfluges nach Astana schlossen sich um 17.27 Uhr. Die Klägerin erreichte ihren Anschlussflug nicht und erreichte Astana daher erst einen Tag später.

Sie klagte aufgrund dessen gegen die Fluggesellschaft auf Zahlung einer Entschädigung. Die Fluggesellschaft stellte sich dem entgegen und führte an, dass der Zeitraum von einer Stunde und zwei Minuten ausreichend gewesen sei, um den Anschlussflug zu erreichen. Dieser Zeitraum habe der Minimum Connecting Time (MCT) entsprochen. Die Klägerin habe ihre Umsteigezeit schlichtweg vertan.

Das Amtsgericht entschied nun zu Gunsten der Klägerin und sprach ihr einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zu. Zwar sei ein „Vertrödeln“ der Umsteigezeit grundsätzlich als Eigenverschulden des Fluggastes zu werten, jedoch hätte die Beklagte ein solches Eigenverschulden der Klägerin vorliegend nicht dargelegt. Denn die Beklagte hätte nach Auffassung des Gerichts darlegen und gegebenenfalls auch beweisen müssen, dass der Zeitraum zwischen Öffnen der Türen des Zubringerfluges und des Schließens der Türen des Anschlussfluges für einen Umstieg im Einzelfall der Klägerin ausreichend gewesen sei. Für unerheblich hielt das Gericht dabei auch den Umstand, dass andere Fluggäste den Anschlussflug noch rechtzeitig erreicht hatten. Allein ein Verweis auf andere Fluggäste sei nämlich nach Ansicht des Gerichts nicht geeignet, darzulegen und zu bewiesen, welcher Zeitraum konkret der Klägerin zur Verfügung gestanden habe und dass die der Klägerin zur Verfügung stehenden Zeit für einen Umstieg ausreichend war.

Dabei sei es auch nicht ausreichend, dass der Zeitraum der Umsteigezeit der sog.  MCT entsprochen hat. Denn diese Zeiten werden von den Flughafenbetreibern selbst festgelegt. Die MCT gibt nicht die tatsächliche zur Verfügung stehende Umsteigezeit an. Dem Fluggast hingegen steht tatsächlich nur die Zeit zum Umsteigen zur Verfügung, die ihm nach Erreichen des Flughafens bis zum Erreichen des Anschlussflugsteigs innerhalb der Boardingzeit verbleibe. Die tatsächlich zur Verfügung stehende Umsteigezeit entspreche dabei in aller Regel nicht der MCT. Diese könne daher im Fall des Verpassens eines Anschlussfluges nicht gegen den Fluggast verwendet werden.

Weiterhin betonte das Gericht, dass die Beklagte zudem hätte darlegen müssen, welche Maßnahmen konkret ergriffen wurden, um der Klägerin einen rechtzeitigen Umstieg zu ermöglichen. Insgesamt waren demnach die Forderungen der Klägerin berechtigt.

Das Urteil nimmt klar Stellung zu der Frage, welche Pflichten eine Fluggesellschaft im Falle eines Anschlussfluges treffen, sofern die Umsteigezeit knapp werden sollte. Hierauf können sich Reisende in Zukunft zwar berufen, jedoch sollte nicht vergessen werden, dass es dennoch dem reisenden obliegt, sein bestmögliches zum rechtzeitigen Erreichen des Anschlussfluges beizutragen.

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