Auch Enkel und Urenkel sind als „unsere gemeinsamen Abkömmlinge“ in Testament anzusehen

2. April 2020, Allgemein, Erbrecht

Bei der Frage, wie bestimmte Formulierungen in Testamenten zu verstehen sind, kommt es immer wieder zu Auslegungsproblemen.

Die Erblasser verfügen oftmals dahingehend, dass „gemeinsame Abkömmlinge“ zu Erben eingesetzt werden oder entsprechende Vermächtnisse gemeinsam bekommen sollen.

Dann stellt sich die Frage, welcher Personenkreis unter den Begriff der Abkömmlinge zu fassen ist.

Ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Testamentes, so sind die Begleitumstände heranzuziehen. Im Zweifel ist auch eine objektive Auslegung des Begriffes erforderlich, wobei insoweit die engen Grenzen des zu wahrenden Erblasserwillens zu beachten sind.

In einem nunmehr vom OLG Oldenburg entschiedenen Rechtsstreit ging es um eben jene Frage.

Dabei hatten sich die Eheleute in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Erben des Letztversterbenden sollten die gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen sein. Gleichzeitig sollte der überlebende Ehegatte allerdings auch die Erbfolge unter eben jenen gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern können.

Nach dem Tod des Ehemanns traf die Ehefrau in einem zweiten Testament eine abweichende Verfügung dahingehend, dass sie eine Tochter als Erbin einsetzte und zugleich deren Sohn, mithin Enkel der damaligen Erblasser.

Hiergegen wandte eine andere Tochter ein, dass eine Abänderung nur hinsichtlich der gemeinschaftlichen Abkömmlinge in Betracht komme und Enkelkinder hierunter nicht zu fassen seien.

Dieser Ansicht folgte das zunächst angerufene Landgericht Osnabrück, das Oberlandesgericht Oldenburg änderte im Rahmen der Berufung diese Entscheidung aber ab und wies die Klage ab.

Unter den Begriff der Abkömmlinge seien auch Enkel und Urenkel usw. zu fassen. Dies ergebe sich bereits aus der gesetzlichen Definition des § 1924 BGB.

Wenn nur die direkten Abkömmlinge, mithin die Kinder, gemeint gewesen seien, hätten die Erblasser damals im ersten Testament auch den Begriff „Kinder“ gewählt.

Zudem sei es auch plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge gleich behandeln wollten. Dies sei auch deshalb zu vermuten, weil häufig die eigenen Kinder beim Versterben der Eltern bereits eine gefestigte Lebensstellung haben, während die Enkel und gegebenenfalls die Urenkel sich erst noch ihr eigenes Lebensumfeld schaffen müssten und eine finanzielle Unterstützung eher nötig hätten. Schließlich sei es auch nachvollziehbar, dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und dabei der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob deren Eltern noch lebten und wie viele Geschwister sie jeweils hätten.

Die Entscheidung ist bereits einiger Aufmerksamkeit begegnet, weil sie abweichend vom sonst üblichen Procedere die Auslegung des Erblasserwillens vornehmlich an objektive Kriterien geknüpft, hingegen nicht die weiteren Umstände im tatsächlichen Umfeld der Erblasser beleuchtet, wie dies typischerweise gemacht wird.

Dies begegnet doch auch einigen Bedenken, nachdem – und dies sollte dem OLG eigentlich bekannt sein – die Erblasser, sei es in notariellen oder handschriftlichen Testamenten, in aller Regel den Begriff „gemeinschaftliche Abkömmlinge“ wählen und dabei allen voran an ihre Kinder denken, hingegen nicht an Enkel oder Urenkel. Sofern diese bedacht werden sollen, wird dies zumeist gesondert aufgeführt.

Dies bedeutet freilich nicht, dass die Argumentation des OLG vollkommen abwegig wäre.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung sollte noch einmal mehr Augenmerk darauf gelegt werden, wie die letztwillige Verfügung formuliert wird.

Dies gilt auch und gerade vor dem Hintergrund der Erbeinsetzung, nicht lediglich der Frage einer Abänderungsmöglichkeit. Denn konsequenterweise wäre mit der Entscheidung des OLG jedenfalls das erste Testament der beiden Eheleute dahingehend auszulegen gewesen, dass neben den gemeinsamen Kindern auch deren Enkel und gegebenenfalls Urenkel zu Erben berufen wären. Es wäre deshalb durchaus interessant gewesen, wie sich das OLG zu genau dieser Frage stellt, denn nach den angeführten Argumentationspunkten wäre diese Sichtweise nur konsequent.

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