Kontaktabbruch des Kindes aufgrund jahrelangen Ehebruchs: Keine neue Testierung durch letztverstorbenen Ehegatten gerechtfertigt

24. Februar 2021, Erbrecht, Familienrecht

Symbolbild © Sora Shimazaki

Gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten sind ein beliebtes Mittel um einvernehmliche Regelungen für den Fall des Versterbens zu treffen. Dabei muss beachtet werden, dass die darin enthaltenen wesentlichen Verfügungen oft wechselbezüglich sind, d. h. davon abhängen, dass diese auch beide Eheleute dauerhaft wollen. Verstirbt einer der Ehegatten, so ist der andere dann an die getroffenen Regelungen gebunden und kann kein neues Testament errichten.

Dem wird manchmal dadurch begegnet, dass der überlebende Ehegatte in bestimmten Fälle von der getroffenen letztwilligen Verfügung abweichen kann. Dies betrifft oftmals Fälle sogenannter „familiärer Zuwiderhandlungen“ des als Schlusserben eingesetzten Kindes. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Bamberg entschieden, dass eine solche Regelung nicht greift, wenn das Kind wegen des jahrelangen Ehebruchs des überlebenden Ehegatten den Kontakt zu diesem abbricht. Auch eine intellektuelle Minderbegabung des Kindes ist bei der Auslegung zu berücksichtigen.

Im betreffenden Fall hatten die Eheleute sich wechselseitig zu Erben eingesetzt, der gemeinsame Sohn sollte schließlich Schlusserbe werden. Zudem erhielt das Testament die Regelung, dass es bei einer „familiären Zuwiderhandlung“ des Sohnes abgeändert werden könne. Der Ehemann hatte ein jahrelanges außereheliches Verhältnis mit der Schwester seiner Frau, einschließlich gemeinsamer Urlaubsreisen. Die Ehefrau hatte darunter sehr gelitten, der gemeinsame Sohn stand dabei auf Seiten der Mutter.

Nach dem Versterben der Ehefrau errichtete der überlebende Ehemann ein Testament, in dem er seinen Sohn und seine Geliebte je zur Hälfte als Erben einsetzte. Diese abweichende testamentarische Verfügung begründete er mit dem Kontaktabbruch seines Sohnes. Nachdem der Ehemann verstorben war, kam es zu einem Streit über die Frage der Erbenstellung. Zunächst wies das Amtsgericht Bamberg den Antrag des Sohnes auf Ausstellung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte, zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Sohnes hatte vor dem OLG Bamberg jedoch schließlich Erfolg. Dieses entschied, dass die Abänderung des gemeinschaftlichen Testamentes durch den zuletzt verstorbenen Ehegatten unwirksam war.

In seiner Begründung führte das OLG aus, das Amtsgericht habe sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, welche übereinstimmenden Vorstellungen beide Ehegatten mit der Formulierung „familiäre Zuwiderhandlung“ verbunden haben. Ferner müsse das nach dem Willen des einen Ehegatten mögliche Auslegungsergebnis mit der Einstellung des anderen Ehegatten abgeglichen werden. Nach Ansicht des OLG sei auszuschließen, dass auch nur einer der beiden Ehegatten ernsthaft davon ausgegangen sein könnte, der andere Teil könne eine Befugnis zum Widerruf für den Fall angestrebt haben, dass ein jahrelanger Ehebruch des Überlebenden zu einem tiefgreifenden Konflikt mit anschließender Kontaktverweigerung führt.

Weiter sei es nicht naheliegend, dass der Erblasser bei seiner Ehefrau das Verständnis vorausgesetzt hat, dass die nur floskelhaft formulierte Abänderungsmöglichkeit dem überlebenden Ehestörer auch noch die Möglichkeit eröffnen sollte, zugunsten der Affäre von dem gemeinsamen Willen abzuweichen. Dabei berücksichtigte das Gericht auch, dass der Kontaktabbruch des Sohnes auf das Fehlverhalten des Erblassers zurückzuführen war. Damit habe der Erblasser nicht nur die Grundlagen seiner Ehe, sondern auch des familiären Zusammenhaltes insgesamt untergraben und somit selbst die Gefahr eines Zerwürfnisses hervorgerufen.

Nach Ansicht der Richter sei es demgemäß Sache des Erblassers gewesen, den ersten Schritt zur Aussöhnung auf den Sohn zuzugehen. Schließlich sei es – so die Richter – auch im Hinblick auf die unstreitig vorhandene intellektuelle Minderbegabung des Sohnes äußerst zweifelhaft, ob in der unterbliebenen Kontaktaufnahme zum Erblasser ein ernsthafter Verstoß gegen den früheren familiären Zusammenhalt überhaupt angenommen werden könnte.

Die Entscheidung macht deutlich, dass bei in Testamenten vorgesehenen Abänderungsvorbehalten besonders sauber formuliert werden muss. Die künftigen Erblasser sind gehalten, eine eindeutige Auslegung des tatsächlich gewollten möglich zu machen. Anderenfalls entsteht schnell Streit darüber, wie weitreichend der enthaltene Änderungsvorbehalt gefasst sein soll.

 

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